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Warum ich ein besorgter Bürger bin

Tuncay Nazik am Feb. 09, 2020

Ja, ich gebe zu: Auch ich bin ein besorgter Bürger.

Und ich möchte, dass meine Sorgen genauso ernstgenommen werden, wie es die AfD- und Pegida-Anhänger für ihre vermeintlichen Ängste einfordern.
Ja, ich mache mir Sorgen, wenn meine Religion von Terroristen missbraucht wird.
Ja, ich mache mir Sorgen, wenn ausländische Konflikte nach Deutschland übertragen werden.
Ja, ich mache mir Sorgen, dass Einsatzkräfte, Polizei, Feuerwehr oder Ärzte immer mehr angegriffen werden.
Ja, ich mache mir Sorgen, wenn seit 2016 125 Straftaten gegen Mandatsträger ausgeübt wurden. 

Ich mache mir aber mehr Sorgen darüber, wenn etablierte politische Parteien sich mit Faschisten einlassen und mit deren Stimmen Ministerpräsident werden.

Ich mache mir Sorgen, wenn in Deutschland innerhalb eines Jahres 110 Angriffe auf Moscheen registriert werden und das kaum in den Medien erwähnt wird.

Ich mache mir Sorgen, wenn auf offener Straße Kippa tragende Juden oder Kopftuch tragende Mädchen angespuckt oder beleidigt werden.

Ich mache mir Sorgen, wenn an dem Tag der Auschwitz Befreiung hochrangige Politiker direkt auf Muslime zeigen und die Worte „Nationalsozialismus“ oder „Deutschland“ nicht einmal erwähnen, obwohl der Holocaust ein deutsches Verbrechen und kein muslimisches war. 

Ich mache mir Sorgen, wenn Sätze wie die folgenden gesagt werden dürfen:
  • “Bescheidenheit bei der Entsorgung von Personen ist unangebracht” (Jörg Meuthen, AfD)
  • „Homosexuelle ins Gefängnis? Das sollten wir in Deutschland auch machen! (Andreas Gehlmann, AfD)
  • „Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet.“ (Marcel Grauf, Referent von Dr. Christina Baum, AfD und Heiner Merz, AfD)
  • „Wir sollten eine SA gründen und aufräumen!“ (Andreas Geithe, AfD)
  • „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!“ (Markus Frohnmaier, AfD)
  • „Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“ (Sandro Hersel, AfD)
  • „Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ (Björn Höcke, AfD)
  • „Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln.“ (Dieter Görnert, AfD)
  • „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.“ (Marcel Grauf, Referent von Dr. Christine Baum, AfD und Heiner Merz, AfD)
  • „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“ (Marcel Grauf, Referent von Dr. Christina Baum, AfD und Heiner Merz, AfD)
  • „Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. (…) Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben drauf.“ (Holger Arppe, AfD)
Ich habe Angst, dass wir vor lauter Ängsten und Sorgen unsere Menschlichkeit vergessen. 
Ich habe Angst, dass gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt werden und Hass geschürt wird. 
Ich habe Angst, dass die AfD, Pegida und Co. weiter in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen und das Klima in der offenen Gesellschaft vergiften.

Und ja, ich habe Angst, dass all meine Sorgen und Ängste Realität werden, wenn man auf die Sorgen und Ängste der „besorgten Bürger“ eingeht, ihnen den Raum überlässt und die Demokraten es sich gemütlich machen. 
Lasst uns aber nicht von unseren Ängsten leiten und verwalten. Jetzt erst recht werden wir uns noch stärker für die Gesellschaft einsetzen, für ein friedliches Miteinander arbeiten, uns öffnen und zeigen, dass unsere Demokratie wehrhaft bleibt und unsere Ängste nicht von Rechten oder Extremisten instrumentalisiert werden. 

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